Olivia de Havilland - Nachruf auf die Hollywood-Diva (2024)

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Olivia de Havilland - Nachruf auf die Hollywood-Diva (1)

Dieser Text erschien in seiner ursprünglichen Form zum 100. Geburtstag der Schauspielerin im Jahr 2016.

Schwesternliebe, Schwesternhass, wer steigt da schon als Außenstehender durch. Einer der tollsten Filme, der je über dieses sonderbar undurchdringliche Beziehungsgeflecht gedreht wurde, ist Robert Siodmaks Film noir "The Dark Mirror" aus dem Jahr 1946. Olivia de Havilland, damals ein Star mit einem Oscar im Gepäck und einem weiteren im Anflug, spielt darin eine Doppelrolle: Zwillingsschwester Terry und Zwillingsschwester Ruth.

Am Anfang des Films kann man die beiden nicht auseinanderhalten. Dann dämmert es dem Zuschauer langsam: Die eine ist herzensgut, die andere voller Hass. Die eine ist ein Lämmchen, die andere eine Mörderin. Der Neid aufs schwesterliche Ebenbild ist bei einer der jungen Frauen pathologisch geworden, sie will zerstören, zerstören, zerstören. Die andere lächelt sanft bis zum Ende des Films über jede Gemeinheit hinweg.

Olivia de Havilland - Nachruf auf die Hollywood-Diva (2)

Der fiktionale Sister-Hate-Plot ist ungefähr so verstörend wie das reale Verhältnis der berühmten Hauptdarstellerin de Havilland zu ihrer nicht minder berühmten Schwester Joan Fontaine. Eine Hassliebe, die selbst die beflissensten Exegeten Hollywoods nie endgültig ausgedeutet bekamen. Eine Hassliebe, die episch war wie die Ritter-, Piraten- und Wildwestabenteuer, durch die de Havilland schon in sehr jungen Jahren zum Star wurde.

Halt mich, Errol!

Achtmal stand sie in den Dreißigerjahren für Abenteuerfilme mit Errol Flynn vor der Kamera. Er meist mit Zwirbelbärtchen und in Strumpfhose, sie mit Riechtüchlein und in kunstvoll dahingegossener Halt-mich-Pose. Höhepunkt war 1938 der damalige Megablockbuster "The Adventures of Robin Hood", der bis dahin teuerste Film für das Studio Warner Brothers. Für junge Zuschauer: Budget und Erfolg sind gleichzusetzen mit "Fluch der Karibik".

Olivia de Havilland - Nachruf auf die Hollywood-Diva (3)

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Olivia de Havilland: Der Engel ist gelandet

Foto: ddp images/ interTOPICS/ mptv

De Havilland war zu diesem Zeitpunkt gerade 22 Jahre alt. Sie soll zwar damals schon eine knallharte und kühle Strategin gewesen sein, unter anderem zog sie gegen Knebelverträge von Hollywood-Studiobossen vor Gericht - doch der Rummel um ihre Person setzte ihr so zu, dass sie körperlich bald nur noch ein Schatten ihrer selbst war. Heutzutage, so formulierte es einmal das Glamourfachblatt "Vanity Fair" in einer Liebeserklärung an die Schauspielerin, hätte man wohl Magersucht attestiert. De Havilland wurde von ihrer Mutter aus der Öffentlichkeit genommen, man reiste gemeinsam ins ferne Europa.

Auftritt Joan Fontaine. Die 15 Monate jüngere Schwester, bis dahin von aller Schauspielerei unbeleckt, eiferte in Abwesenheit de Havillands der Älteren nach. Glaubt man de Havilland, waren die beiden als Kinder ein Herz und eine Seele gewesen. Glaubt man Fontaine, hat die Große die Kleine immer gequält. Zum Einschlafen, so Fontaine über de Havilland, habe die aus reinem Sadismus besonders blutige Bibelstellen vorgelesen.

Schrägerweise gibt es in de Havillands Schwesternkrimi "The Dark Mirror" eine Szene, in der die eine der anderen in der Nacht heimtückisch Albträume einflüstert. Wer war hier das Biest, wer war hier das Opfer?

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Das unheilvoll ineinander verschränkte Schwesternverhältnis setzte auf jeden Fall unglaubliche Energien frei - und trieb das wohl brutalste Oscar-Wettrennen aller Zeiten an.

1940 war de Havilland für das Südstaaten-Epos "Gone With The Wind" nominiert und Fontaine für Alfred Hitchco*cks Thriller-Melodram "Rebecca". Beide gingen leer aus. 1941 war de Havilland für den Liebesfilm "Hold Back The Dawn" nominiert und Fontaine für "Suspicion", einem weiteren Hitchco*ck-Psychokrimi. Fontaine, die Jüngere, gewann den Oscar. Eine Schmach für de Havilland, die Ältere. Danach gab es dann doch noch Oscar-Ehren als beste Hauptdarstellerin, sogar gleich zweimal, aber das zählte irgendwie nicht mehr.

Erster weiblicher Farbfilmstar

Hinter den Kulissen und auch davor gab es Clinch; die Schwestern, die sich gegenseitig der Karrieresabotage bezichtigten, lagen in einem ewigen Krieg - der bis zum sehr späten Tod von Joan Fontaine im Dezember 2013 nicht wirklich befriedet wurde. Dabei steht die Angriffslust der Schwestern im Gegensatz zu den Rollen, die sie spielten: Die blonde Hitchco*ck-Schauspielerin Fontaine verkörperte oft das hilflose Objekt zwielichtiger männlicher Begierden, die ätherische de Havilland wirkte in ihren Rollen stets allen niederen Absichten abhold.

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De Havilland war so etwas wie der erste weibliche Farbfilmstar. "Robin Hood" war 1938 einer der frühen Filme im Technicolor-Verfahren; de Havillands Lady Marian schimmerte in den zartesten Rosatönen. Auch ihr leidensfähiger Südstaatenengel Melanie Hamilton in "Gone With The Wind" - eine Rolle, um die de Havilland mit erstaunlichen Tricksereien gekämpft hatte - besaß zwei Jahre später diese überirdische Schönheit. Im Kontrast zu Vivian Leighs übersexualisierter Ich-will-ich-will-Scarlett in "Gone With The Wind" strahlte sie so farbenfroh wie friedlich.

Reinheit im Breitwandformat

De Havilland war der Apfel, in den man sich nicht hineinzubeißen traute, sie verkörperte Reinheit im Breitwandformat. Und zwar so raffiniert unaufdringlich und wirkungsbewusst, dass einem manchmal angst und bange angesichts dieser Unverdorbenheit wurde.

In den Fünfzigerjahren war ihre Zeit dann vorbei. Das Fernsehen schrumpfte die Leinwandstars von einst auf Kastengröße, im Kino führten Überblondinen wie Kim Novak oder Marilyn Monroe eine sehr viel aggressivere Sinnlichkeit vor. Das Diva-Dasein einer Olivia de Havilland, die oft wie mit einem Heiligenschein ins Bild gesetzt wurde, hatte immer mit der Illusion absoluter Unschuld gespielt; die aber interessierte in den späten Tagen des klassischen Hollywood kaum noch jemanden.

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De Havilland ging genau zum richtigen Zeitpunkt nach Paris und verwaltete von dort aus klug ihren Ruhm. 1955 übernahm sie als erste Frau überhaupt den Jury-Vorsitz in Cannes.

Einen besonders markanten Auftritt gönnte sie sich noch einmal 1964 in Robert Aldrichs Frauenschocker "Hush... Hush, Sweet Charlotte"; hier führt sie mit ihrer Spielpartnerin, der anbetungswürdig verwittert in Szene gesetzten Bette Davis, ein solch abgründiges Quasi-Schwesterndrama auf, dass man unweigerlich noch mal an die Höllenbeziehung zu Joan Fontaine denken musste.

Der Hass, der Neid und der Aufmerksamkeitsstellungskrieg in der ersten Hälfte ihres Lebens hatten ihr aber offensichtlich nichts anhaben können. Olivia de Havilland wurde 104 Jahre alt, am Sonntag ist sie in ihrer Wahlheimat Paris gestorben. Auf den wenigen Bildern der letzten Jahre trug sie wie eh und je ihr überirdisches Breitwandlächeln.

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Author: Domingo Moore

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